Erfahrungen im Passivhaus

Was waren die Beweggründe für ein Passivhaus?

Wir, zwei Erwachsene und drei damals noch kleine Kinder, wohnten zuvor im Hochparterre eines Altbaus. Dort mussten wir von September bis Mai heizen, ohne wirklichen Wohnkomfort zu erleben. Die Wohnung war sehr fußkalt, durch die teilweise undichten Fenster zog es und wir heizten für die Mieter in den oberen Stockwerken fleißig mit. Als dann in der Kundenzeitschrift der Stadtwerke für eine Veranstaltung über Passivhäuser geworben wurde, mussten wir nicht lange überlegen. Die Informationen waren sehr überzeugend und so reservierten wir kurz darauf ein Reihenmittelhaus in Passivhausstandard für unsere Familie.
Der Wunsch nach einem eigenen Haus bestand bereits, die Lage und (geplante) Infrastruktur des Baugebietes gefiel uns und die energiesparende Bauweise überzeugte sofort. „Wir bauen die Zukunft von morgen“ war der Werbeslogan, der bis heute noch zutrifft.

Welche Überraschungen erlebten Sie während der Bauphase?

Wir bauten mit einem Bauträger aus Darmstadt, der in enger Verbindung mit Herrn Dr. Feist vom Passivhaus-Institut stand und bereits über Erfahrungen auf dem Gebiet verfügte. Gleichzeitig profitierten wir davon, dass unsere Reihenhäuser als EU-Projekt gefördert und wissenschaftlich begleitet wurden. Passivhäuser gab es bis dahin eigentlich nur als recht teure Architektenhäuser. Hier lag der Schwerpunkt auf kostengünstigem Bauen, das durch vorgefertigte Teile möglich wurde. Damit einher gingen allerdings deutliche Abstriche an individuellen Wünschen und Vorstellungen.
Das Bauen mit dem Bauträger ersparte uns Ärger und Überraschungen mit Handwerkern, die Komponenten waren ausgewählt und auf ihre Tauglichkeit überprüft und so hatten wir auch keine Zweifel daran, dass das Konzept aufgehen würde.

War das Wohnen im Passivhaus eine große Umstellung?

Der Einzug erfolgte Ende Januar 1999 bei Minustemperaturen. Die Lüftungsanlage war am Tag zuvor eingemessen worden, das ganze Haus war noch kalt. Doch bereits nach wenigen Tagen hatte sich eine angenehme Temperatur eingestellt.
Eine deutliche Umstellung war das Schlafen bei geschlossenem Fenster. Noch heute freue ich mich, wenn die Nächte nicht mehr so kalt sind und das Fenster einfach offen bleiben kann, ohne das Haus auszukühlen. Im Haus barfuß zu laufen ist auch im Winter möglich, ohne Eisfüße zu bekommen und die Bekleidung kann deutlich dünner und leichter ausfallen als gewohnt. Ungewöhnlich empfinden wir inzwischen starken Temperaturschwankungen zwischen beheizten und unbeheizten Räumen, wie das in anderen Häusern üblich ist, da bei uns im gesamten Haus etwa einheitliche Temperaturen herrschen.
Trockene Raumluft ist ja generell im Winter ein Problem. Durch die Lüftungsanlage ist die feuchtere Raumluft etwa alle zwei Stunden komplett ausgetauscht. Zur Abhilfe oder zumindest Minderung können wir den Luftaustausch über die Anlage vermindern, außerdem stockten wir die Zahl der Zimmerpflanzen auf, aber auch Wäschetrocknen in den Räumen, in Wohnungen ohne Lüftung nicht zu empfehlen, hilft zumindest vorübergehend.

Wurden die Erwartungen erfüllt?

Absolut. Unsere Kosten für Heizung sind minimal. Von etwa Dezember bis Mitte Februar müssen wir mit Nahwärme die Zuluft zusätzlich erwärmen, bei sonnigen Wetterperioden evtl. auch kürzer. Trübe, kalte Tage sind da eher schlecht, weil die solaren Einträge über die Fensterflächen fehlen.
Eine zusätzliche Luftdichtheitsmessung nach etwa drei Jahren hat keine Undichtigkeiten in der Hülle ergeben, die wir wegen Setzungsrissen vermutet hatten. Die Technik hat bisher gehalten und auch die Wartungskosten konnten niedrig gehalten werden, weil wir das Glück haben, dass einige versierte Techniker in unserer Eigentümergemeinschaft wohnen, die diese Arbeiten ausführen können. Zu Beginn hatten wir das Gefühl, dass viele Handwerker nicht die Eigenheiten eines Passivhauses verstehen und mit den verschiedenen Technikelementen wie Solarthermie, Wärmespeicher, Lüftungsanlage und Nachheizregister nicht viel anfangen konnten.
Für einen guten sommerlichen Wärmeschutz sind Außenjalousien unerlässlich. Eigentlich sollten diese nicht nur optional angeboten werden, sondern als fester Bestandteil des Angebots.

Würden Sie heute etwas anders machen?

Bei unserem Haus wird die Außenluft vom Dach aus angesaugt und abgegeben. Ich hätte damals schon lieber die Zuluft zum Vorwärmen unter dem Haus hindurch geführt, evtl. auch durch einen Luftbrunnen zur Vorreinigung der Luft. Das gilt auch heute noch. Ansonsten hat sich natürlich technisch einiges bei den Wärmetauschern getan. Auch könnte ich mir eine Wärmepumpe vorstellen, die die Restwärme aus der Abluft nutzt und so sehr effizient arbeiten kann. Diese Geräte sind heute in Passivhäusern meistens eingebaut. Insgesamt möchte ich aber nicht mehr auf ein Leben im Passivhaus verzichten.

Was waren die häufigsten Fragen, die Sie gestellt bekamen?

Ganz oft kam die Frage, ob wir denn überhaupt die Fenster öffnen könnten. Im Sommer oder bei vielen Besuchern im Haus handhaben wir das Lüften genauso, wie in jedem anderen Haus auch.  Der Vorteil liegt ja gerade in den Übergangszeiten und im Winter darin, dass wir über die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ständig über frische Luft verfügen, ohne aber die Wärme zu verlieren. Im Sommer bleibt das Haus durch seine gute Dämmung auch deutlich kühler. Dazu wird der Bypass genutzt, also die Wärmerückgewinnung abgestellt und die Steuerung auf Sommerlüftung gestellt. Die Luft aus den Räumen wird dann nur noch abgesaugt, die Frischluftzufuhr erfolgt über die geöffneten Fenster. Durch zusätzliche Lüftung nachts kann die Innentemperatur wieder gesenkt werden. Bei sommerlicher Hitze lassen wir die Fenster tagsüber geschlossen.

Weitere Verwunderung bestand darin, dass wir nur einen Heizkörper im Badezimmer haben. Die Luftheizung ist natürlich träger und nach so manchem winterlichen Spaziergang hätte ich mich auch gerne auf einen Heizkörper gesetzt, um mich wieder aufzuwärmen. Das geht leider nicht, aber da hilft auch ein warmes Fußbad.

Oft wurde auch nach der zusätzlich benötigten Wärme im Winter gefragt.
Wir haben einen Anschluss an die Nahwärmeversorgung der Stadtwerke, die von einem im Stadtteil gelegenen Blockheizkraftwerk stammt. Diese benötigen wir, um in der Übergangszeit und im Winter bei mangelnder Sonneneinstrahlung unser Warmwasser und im Winter die Frischluft zusätzlich zu erwärmen. Sind die Außentemperaturen unter -5°C, wird mit einem elektrischen Heizstab die angesaugte kalte Außenluft erwärmt, damit es zu keiner Eis- und Kondenswasserbildung im Wärmetauscher kommt.

Lebt man in einem Passivhaus ganz von selbst energiesparend?

Jeder Bewohner eines Passivhauses sollte die Funktionsweise des Hauses schon möglichst verstanden haben. Das Nutzerverhalten hat auch hier noch einen starken Einfluss. Wenn im Winter beispielsweise immer die Fenster auf Kipp stehen, geht auch hier viel Energie verloren.